Neues Shirt: Der Dolchstoßer

15. Juni 2020
In Kooperation mit dem befreundeten Künstler ricaletto86 haben wir uns der über einhundert Jahre alten Dolchstoß-Legende bedient und verkehren sie in ihr Gegenteil! Unser Dolchstoßer kommt von links und sticht in die „Rechte“. Unser Dolchstoßer ist der:die Träger:in dieses T-Shirts und sagt: „Wenn es gelingt, mittels Meuchelmord nationalistische Kriege zu stoppen, dann bin ich dabei!“⁣

Sommer, Sonne und Konfront hat ein neues Shirt am Start!

Der “Dolchstoßer“, setzt sich mit der antisemitischen und antikommunistischen Dolchstoß-Legende auseinander

Erfunden von der Obersten Heeresleitung (kurz OHL) des deutschen Reiches, wollte man so die Schuld am militärischen Zusammenbruch und für dieNiederlage im Ersten Weltkrieg Sozialist:innen, Kommunist:innen, Anarchist:innen, Pazifist:innen und Menschen jüdischen Glaubens zu geben.1 Schnell gewann dieser Verschwörungswahn große Popularität, verbreitete sich und hält sich in rechten Kreisen bis heute hartnäckig. Erfunden von der Obersten Heeresleitung (kurz OHL) des deutschen Reiches, wollte man so die Schuld am militärischen Zusammenbruch und für den Niederlage im Ersten Weltkrieg Sozialist:innen, Kommunist:innen, Anarchist:innen, Pazifist:innen und Menschen jüdischen Glaubens geben.2 Schnell gewann dieser Verschwörungswahn große Popularität, verbreitete sich und hält sich in rechten Kreisen bis heute hartnäckig.

Zum Hintergrund

Ihr eigentlicher Ursprung kann wahrscheinlich auf den Herbst des Jahres 1919 datiert werden. Damals aß der ehemalige Generalstabschef Erich Ludendorff mit dem Leiter der britischen Militärmission in Berlin, dem britischen General Sir Neill Malcolm, zu Abend. Malcolm fragte Ludendorff, warum er glaube, dass Deutschland den Krieg verlor. Ludendorff antwortete mit einer Liste von Entschuldigungen. Unter anderem, dass die Heimatfront die Armee im Stich gelassen habe. Malcolm fragte ihn: „Meinen Sie damit, General, dass Sie von hinten erdolcht wurden?“ Ludendorffs Augen leuchteten auf, und er sprang auf diesen Satz an, wie ein Hund auf einen Knochen. „In den Rücken gestochen?“, wiederholte er. „Ja, das ist es, genau, wir wurden von hinten erstochen.“3
Ludendorf paktierte nach dem Ende des ersten Weltkrieges mit ultra-nationalistischen und völkischen Kräften der Rechten und bekämpfte die Weimarer Republik wo es nur ging. Hindenburg hatte die gleichen politischen Ansichten und kann als späterer Steigbügelhalter Hitlers gelten. Hindenburg war es auch, der sich im Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung über die Ursachen des militärischen Zusammenbruchs 1919 auf englische Militärs berief und sagte das deutsche Herr sei von hinten erdolcht worden.


“Man muss die Legendenbildung des ‘bolschiwistisch-jüdischen’ Dolchstoßes von hinten aber auch als ein Mittel des Klassenkampfes von oben begreifen.”

Die Äußerung, die Heimatfront habe die Soldaten verraten, konterkariert nicht nur die Realität der einfachen Soldaten im ersten Weltkrieg, welche unter dem herrischen und menschenverachtenden Kommando der OHL litten – nicht umsonst waren es Arbeiter:innen und Soldatenräte, Streiks und Sabotagen die die Novemberrevolution 1918/19 in Deutschland einleiteten – nein, für die OHL, war es schlicht eine verschwörungstheoretische Entschuldigungsideologie. Natürlich war sowohl der OHL als auch den Diplomaten des deutschen Reiches bewusst, welche revolutionäre Sprengkraft die Soldaten von der Front mit nach Hause bringen würden. So sagte der damalige Staatssekretär Paul von Hintze bei einem Treffen im Großen Hauptquartier in Spa, dass die Armee „schon schwer durch das Gift spartakistisch sozialistischer Ideen verseucht“ sei. Damit das geschlagene Heer den „revolutionären Bazillus nicht nach Deutschland trage“ müsse man zu Friedensverhandlungen übergehen. Dazu brauche es eine Revolution von oben, die alle Parteien in eine parlamentarisch-repräsentative Art und Weise einbinden würde. So wollte man sich die Revolutionsgefahr vom Hals halten. Ludendorf verfolgte ähnliche Pläne und so stieß von Hintze bei ihm auf offene Ohren. Jedoch wollte Ludendorf zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen wollte er die Gefahr einer rätekommunistischen Revolution bekämpfen und zum anderen den Parteien die im gerade erdachten parlamentarischen System integriert werden sollten, die Schuld an der Kriegsniederlage geben: „Ich habe aber Seine Majestät gebeten, jetzt auch diejenigen Kreise an die Regierung zu bringen, denen wir es in der Hauptsache zu verdanken haben, dass wir so weit gekommen sind. Wir werden also diese Herren jetzt in die Ministerien einziehen sehen. Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muss. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“4
Man muss die Legendenbildung des „bolschiwistisch-jüdischen“ Dolchstoßes von hinten also auch als ein Mittel des Klassenkampfes von oben begreifen. Denn ganz klar diente diese den extrem rechten, völkischen und nationalistischen Kräften dazu die Ziele der Novemberrevolution zu bekämpfen. Dass dabei auch die deutsche Sozialdemokratie half, steht nochmal auf einem anderen Blatt, sollte euch aber bei Gelegenheit auch interessieren.5 Festzuhalten sei hier, dass der Sozialdemokrat und entschiedener Gegner einer Räterepublik, Friedrich Ebert, die Legendenbildung stützte in dem er in seinem damaligen Amt als führendes Mitglied der provisorischen Regierung am 10. Dezember 1918 die nach Berlin heimkehrenden Truppen mit den Worten: „Kein Feind hat Euch überwunden.“ grüßte.6

Was haben wir uns dabei gedacht?

Unser Gedanke ist wie folgt: Gerade in Zeiten, in denen (antisemitische) Verschwörungstheorien wieder virulent werden – zu sehen beim Thema Corona – muss man sich öffentlich positionieren. Der Künstler Ricaletto7 und das KONFRONT Kollektiv eignen sich, auf ironische Art und Weise, ein sehr berühmtes Motiv der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) von 19248 an und verkehren es ins Gegenteil. Von seiner vermeintlichen Hinterhältigkeit in eine konfrontative Ansage: “Ja, ihr habt Recht. Wenn ihr die Fahne des Nationalismus, des Rassismus und der Kriegstreiberei hissen wollt, sind wir diejenigen, die euch daran hindern werden.“


“Meuchelmord, um nationalistische Kriege zu stoppen? Klar! Ich bin dabei!”

Deswegen bei unserem Design der Druck absichtlich seitlich aufgetragen. So geht der Stich des Dolches nun nach vorn, von „Links“ kommend in die „Rechte“ und ist als direkte Provokation und Konfrontation gegenüber der Dummheit solcher „Theorien“ zu verstehen und als eine klare Ansage an alle nationalistischen Kräfte. Leute die das Shirt tragen, sagen auf diese Weise mit einem Augenzwinkern: “Meuchelmord, um nationalistische Kriege zu stoppen? Klar! Ich bin dabei!” Der „Dolchstoßer“ funktioniert also auf doppelter Ebene: Zum einen steht da nun die Aussage, dass es nicht schlimm ist gegen Krieg und Nationalismus einzustehen, vielmehr ist es sogar eine Pflicht und etwas auf das wir stolz sein können. Und zum anderen hält man den Verschwörungstheoretiker:innen provokant den Spiegel vor’s Gesicht.
Dabei ist die Aneignung von abwertenden Begriffen oder Zuschreibungen nichts neues in sozialen Bewegungen. Eine satirische Aneignung über das Mittel der Kunst und der grafischen Gestaltung fanden wir daher recht treffend. Oder, um es mal mit der Punkband Muff Potter zu sagen: „Wir sind die schwulen Säue und die dreckigen Zecken, wir sind geniale Krüppel und ihr am Verrecken. Und was sollen wir machen – außer Lachen!“9




Quellen und Hinweise:

1 https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/dolchstosslegende.html

2 https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/dolchstosslegende.html

3 https://www.vqronline.org/essay/ludendorff-soldier-and-politician

4 https://www.spektrum.de/news/dolchstoss-in-die-republik/1603214

5 Zur Thematik empfehlen wir einen Titel „Eine Geschichte der Novemberrevolution“ des Verlages Die Buchmacherei: https://diebuchmacherei.de/produkt/eine-geschichte-der-novemberrevolution/ und „November 1918. Der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts“ von Edition Nautilus: https://edition-nautilus.de/programm/november-1918-der-verpasste-fruehling-des-20-jahrhunderts/

6 https://www.deutschlandfunk.de/vor-100-jahren-die-veroeffentlichung-der-dolchstosslegende.871.de.html?dram:article_id=436091

7 https://www.instagram.com/ricaletto86/?hl=de

8 https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/pli16837

9 Aus dem Song: „Fernbedient“ vom Album Schrei wenn du brennst! Aus dem Jahr 1998
https://www.youtube.com/watch?v=ZhzRjcwWps8

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