Faye Schulman: Die Fotografin der Partisan:innen

28. November 2021
Faye Schulman gilt heute als einzige bekannte, jüdischstämmige Fotografin, die das Leben von Partisan:innen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus portraitierte. Heute vor 102 Jahren wurde sie geboren.
Faye Schulman in einem Wald in der Nähe der Stadt Pinsk im heutigen Belarus im Spätwinter 1943.

„Ich möchte die Menschen wissen lassen, dass es Widerstand gab. Juden gingen nicht wie Lämmer zur Schlachtbank. Ich bin Fotografin. Ich habe Bilder. Ich habe den Beweis.“

Faye Schulman


Als Deutschland 1941 die Sowjetunion überfällt, lebt Faye Schulman (geb. Faigel Lazebnik) in ihrem Geburtsort, dem Shtetl Lenin (Belarus). Ihr Bruder Moishe brachte ihr das Handwerk der Fotografie bei.

Ihre Leidenschaft für Fotografie und der talentierter Umgang mit dem Fotoapparat waren es, die ihr beim Einmarsch der Wehrmacht das Leben retten sollten. Die Nazis zwangsverpflichteten sie als Fotografin, beuteten ihre Fähigkeiten für das NS-Regime aus. So entging sie dem Massaker an der Bevölkerung Lenins, dem ca. 1850 Menschen zum Opfer fielen. Zu diesem Zeitpunkt ist Schulman 22 Jahre alt.

Als Partisanen die besetzte Stadt angreifen, nutzt Schulman die Gelegenheit um in die nahegelegenen Wälder zu flüchten. Dort trifft sie auf die “Molotava Brigade”, eine Partisan:innen-Einheit, v.a. bestehend sowjetischen Kriegsgefangenen, denen die Flucht aus deutschen Lagern gelang. Hier lernt sie den Umgang mit Waffen und übernimmt die Versorgung Verwundeter. Für 2 Jahre dient sie der Brigade als Sanitäterin und Kämpferin.

Schulman, dritte von rechts, mit einer Einheit der Molotova Brigade im von den Nazis besetzten Polen, 1942. Jewish Partisan Educational Foundation.

Sich über den ausgeprägten Antisemitismus innerhalb der Brigade bewusst, hält Schulman ihr Jüdischsein geheim. Hassreden über Jüd:innen muss sie kommentarlos erdulden. Auch das Sprechen über erlebte antisemitische Gräueltaten und das Trauern darüber verbietet sie sich, aus Angst vor einem Ausschluss aus der Brigade.

Infolge eines weiteren Partisan:innenngriffs auf Lenin, gelangt Schulman wieder an ihre Fotoausrüstung und Aufnahmen. Von nun an dokumentiert sie das Leben in der Brigade. Über 100 Aufnahmen entstehen, entwickelt unter einer Decke auf dem Waldboden.

Rund 2 Jahre portraitiert sie Partisan:innen. Ihre Fotografien brechen ein Stück weit den Kreislauf der Entmenschlichung auf, dem die Portraitierten von den Nazis zugeführt werden. Es sind Fotografien als Beweis des Widerstands, auch des jüdischen Widerstands und des Widerstand von Frauen. Fotos als Gegenstück zur Objektifizierung menschlichen Lebens hin zu einer zu vernichtenden Zahl. Fotografie gegen das Vergessen.

Heute wäre Faye Schulman 102 Jahre alt geworden.

Ihre Fotografien sind im Holocaust-Museum in Washington und in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem ausgestellt.

Einige ihrer Fotografien finden sich online unter https://collections.ushmm.org/search/?utf8=%E2%9C%93&q=Faigel+Lazebnik&search_field=all_fields. Weitere Fotos und Ausschnitte aus einem Interview mit ihr sind abrufbar auf www.jewishpartisans.org//pictures-of-resistance.

Empfehlenswert ist auch ihre Biographie: Die Schreie meines Volkes in mir. Wie ich als jüdische Partisanin den Holocaust überlebte. Detailliert beschreibt sie ihre Flucht vor den Nazis und wie sie Anschluss an Partisan:innen findet und sich unter diesen beweisen muss. Weiterhin liefert dieses Werk einen spannenden Einblick auf ihre Erfahrungen mit dem Antisemitismus, nicht nur dem deutschen, auch dem der Partisan:innen. Versehen mit zahlreichen Fotografien Faye Schulmans, ist dieses Werk eine beeindruckende Lektüre über das Leben und den Widerstand einer jüdischen Partisanin.

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