„Gegenwärtig befinden wir uns in dieser Periode des Übergangs. […] Es ist intrinsisch unmöglich, das Ergebnis vorherzusagen, aber es ist sehr wohl möglich, es durch unsere individuellen und gemeinschaftlichen kollektiven Aktivitäten zu beeinflussen. Ein mögliches Ergebnis ist ein neues System, das in einem nicht-kapitalistischen System die schlimmsten Merkmale des kapitalistischen Systems nachahmt, – ein System, das hierarchisch, ausbeuterisch, und polarisierend ist in einem nicht-kapitalistischen System, das vielleicht noch schlimmer ist als das kapitalistische. Das andere mögliche Ergebnis ist ein relativ demokratisches und relativ egalitäres System, wie es die Welt noch nie gesehen hat – das jedoch durchaus möglich ist.“ (Immanuel Wallerstein)
Der folgende Text ist ein Versuch den Mord an Halim Dener mit den aktuellen Aufständen in den USA gedanklich zu verbinden. Es ist ein kleines Experiment und wir hoffen es ist uns gelungen. Vorweg sei noch gesagt, dass wir nicht denken, dass ein Aufstand mit einer Revolution gleichzusetzen ist, aber wir freuen uns über die Aufstände gegen die Polizei, weil sie in uns eine Hoffnung wecken, dass es doch noch eine Veränderung geben kann. Diese Hoffnung, welche im Hier und Jetzt verortet ist, kann jedoch, verbunden mit der richtigen Analyse und Strategie die Revolution hervorbringen. Wer hätte gedacht, dass ein Aufstand in dieser Dimension in den USA möglich ist? Wir befinden uns wahrlich in historischen Zeiten in denen das kapitalistische System so wie wir es bisher kannten auf sein Ende zugeht. Es ist jedoch nicht sicher, was am Ende dieser Umbruchphase steht. Dies hängt von unseren kollektiven und individuellen Anstrengungen ab. Es liegt an uns diese Umbrüche zu gestalten und, im Sinne Wallersteins, Partei zu ergreifen.
Von Kugeln die sich verselbstständigen, geopolitischen Interessen, Rassist:innen in Uniform und Menschen die für ihre Würde kämpfen.
I Kugeln
Die Behauptung, dass sich ein tödlicher Schuss aus der Waffe eines erfahrenen Polizeibeamten in Zivil versehentlich löst, ist ähnlich absurd wie die, dass ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch, sich in einer deutschen Gewahrsamszelle selbst anzündet und dann unbemerkt verbrennt.
Halim Dener wurde 1994 von der deutschen Polizei ermordet. Anders können wir das was damals passiert ist nicht beschreiben. Er wurde nur 16 Jahre alt. Halim flüchtete als unbegleiteter Minderjähriger vor Krieg, Vertreibung und Folter in die BRD. Der kurdische Aktivist wurde beim Verkleben von Plakaten für die ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) erschossen. Die ERNK galt als Teilorganisation der bereits 1993 kriminalisierten und verbotenen Arbeiter Partei Kurdistans (PKK). Er wurde beim Plakatieren festgenommen, konnte sich befreien und flüchtete. Laut Polizeiaussagen soll sich ein Schuss aus der Polizeiwaffe des Zivilbeamten ‘versehentlich’ gelöst haben. Halim wurde auf der Flucht von dem Projektil getroffen und verblutete noch vor Ort. Der Mörder hatte ihn von hinten erschossen. Im Strafprozess wurde der Polizist, oh Wunder, freigesprochen. Der Tathergang und der Mord wurden nie wirklich zufriedenstellend aufgeklärt. Bis heute gibt es weder Gerechtigkeit für Halim Dener und seine Hinterbliebenen, noch einen würdevollen Gedenkort in Hannover.1 Uns fällt ein Abschnitt aus dem Buch „An unsere Freunde“ ein: „Es ist also keine Lappalie in einer Zeit zu leben, in der dieses obszöne, undurchsichtige Ressort der Polizei ins Rampenlicht gerät. […] wenn offenkundig im Fall von Einsätzen gegen ‘Terroristen’ die gesetzlich abgeschaffte Todesstrafe von der Polizei wieder eingeführt wird; wenn es ihnen gelungen ist, für ihre völlig unhaltbaren Eskapaden fast vollständige rechtliche Immunität zu genießen […]“2 Es ist genau das: KEINE LAPPALIE! Und wir sollten versuchen zu analysieren was es ist, wenn es eben keine Lappalie ist. Wir müssen den Kontext beleuchten in dem diese Tat stattgefunden hat, sonst begreifen wir nichts und Kugeln werden sich weiter verselbstständigen.
II Geopolitik
Haltet euch die Situation Anfang der 90er Jahre vor Augen: Die türkische Regierung führte einen äußerst blutigen Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung und die Guerilla der PKK. Bereits Ende der 80er wurde für die kurdischen Gebiete ein sog. Supergouverneur ernannt. Dieser war von der türkischen Verfassung keinesfalls gestützt. Man übertrug ihm die Befehlsgewalt über die ‘Sicherheitscorps’, über die militärisch-zivilen Einheiten und vor allem über den Sicherheitsdienst. Im Namen der ‘Wiederherstellung der Sicherheit’ konnte der Gouverneur Dörfer umsiedeln oder zerstören lassen. Als Rechtsgrundlage für die Zerstörung der Dörfer diente das Dekret Nr. 430 das 1990 erlassen wurde. So wurden die südlichen und östlichen Provinzen der Republik Türkei zu Ausnahmezustands-Provinzen. Jede:r der:die etwas ältere kurdische Freund:innen und Genoss:innen hat und sich mit ihnen über diese Zeit unterhält, kennt die Geschichten von Serhildan (Aufstand) und brutaler Unterdrückung. Und er:sie weiß auch welche große Unterstützung der Befreiungskampf der PKK in der Bevölkerung genießt. Der damalige türkische Generalstabschefs Güres sagte mit Bezug auf den Kampf gegen die PKK: „Wir werden die Räuberbanden ausrotten, indem wir das Meer austrocknen, um den Fisch vom Wasser zu trennen.“3 In der Praxis bedeutet diese Aussage und die Verhängung des Ausnahmezustands zahlreiche Menschenrechtsverbrechen und die Entvölkerung und das Auslöschen von 3500 bis 4000 kurdischen Ortschaften.4 Dieser Hölle konnte Halim also entfliehen, ‘nur’ um in Deutschland von einem Zivilpolizisten ermordet zu werden.
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“Die Welt befand sich in einem Neu- und Umstrukturierungsprozess. Es ging um Einflusssphären für den sog. Westen. Deutschland, durch die Wiedervereinigung zu neuer nationaler Größe aufgeschwungen, wollte dabei natürlich ein entscheidendes Wort mitreden.”
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Doch warum machte die damalige Bundesregierung dabei mit? Diese Frage ist nicht allzu schwer zu beantworten. Zu groß war das Interesse an dem NATO Mitglied Türkei und ihrer geostrategisch günstigen Lage als Tor zum Nahen Osten. Damals war der sog. Zusammenbruch des Ostblocks noch im vollen Gange. Die Welt befand sich in einem Neu- und Umstrukturierungsprozess. Es ging um Einflusssphären für den sog. Westen. Deutschland, durch die Wiedervereinigung zu neuer nationaler Größe aufgeschwungen, wollte dabei natürlich ein entscheidendes Wort mitreden. In der Verbotsverfügung durch das deutsche Innenministerium hieß dies: „Die politische Agitation der PKK und ihr nahestehender Organisationen hat zwischenzeitlich ein außenpolitisch nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht. (…) Diese Aktivitäten schädigen bereits heute Deutschlands Ansehen in der Türkei und die bilateralen Beziehungen erheblich. (…) Eine weitere Duldung der PKK-Aktivitäten in Deutschland würde diese deutsche Außenpolitik unglaubwürdig machen und das Vertrauen eines wichtigen Bündnispartners, auf das Wert gelegt wird, untergraben.”5
Natürlich waren damals wie heute auch Waffenlieferungen das Öl das die bilateralen Beziehungen zwischen der BRD und der Türkei schmierte. Zu Beginn der 1990er wurden u.a. illegal Leopard I Panzer an die Türkei geliefert. Es gab kurzzeitige Waffenlieferungsstopps zwischen März und September 1992 und im Zeitraum zwischen April und Mai 1994.6 Außerdem lieferte man Waffen der aufgelösten Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) kostenlos an Ankara. Deutsche Delegationen zu den kurdischen Neujahrsfeiern in Dyjarbakir, sog. Newroz-Delegationen, haben den Einsatz von deutschen Kriegswaffen gegen Zivilist:innen belegt.7 In Bonn8 wollte man dies damals nicht glauben. Erst die, so lächerlich das jetzt auch klingen mag, Fernsehbilder des privaten Senders SAT 1, überzeugten die Regierenden davon, dass die Kriegswaffengeschenke gegen die kurdische Zivilbevölkerung eingesetzt wurden.9
Die deutsche Regierung hatte also viele Gründe, die kurdische Diaspora und damit Opposition in Deutschland handlungsunfähig und mundtot zu machen. Dazu gesellte sich noch eine militärische Traditionslinie der Waffenbrüderschaft die bis in die Zeit vor dem WK 1 zurückreicht. Außerdem konnte sich Ankara darauf verlassen, dass die Deutschen ihre Augen vor Menschenrechtsverbrechen verschließen würden. Hatte man doch bereits beim Völkermord an den Armenier:innen gute Erfahrungen damit gemacht.10
III Rassismus
Im Herbst 1993 kam es zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Kurd:innen und türkischen Faschist:innen. Anlass war die Bombardierung der kurdischen Stadt Lice durch das türkische Militär. Obwohl der PKK keine Urheberschaft nachgewiesen werden konnte wurden diese Auseinandersetzungen als Anlass für eine Verbotsverfügung genutzt.11 Mit dem Verbot der PKK in Deutschland am 26. November 199312 ging eine massive mediale Hetzkampagne einher. Die deutsche Regierung unterstütze so die türkische Gewalt- und Vernichtungspolitik gegen die Kurd:innen durch ihren Kriminalisierungskampagnen nach Paragraph 129 b13 auf juristischer und durch Waffenlieferungen auf militärischer Ebene. In der deutschen öffentlichen Wahrnehmung wurde das Feindbild „politische aktiver Kurde“ geprägt. In einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums vom 1. Dezember 1993 wird der damalige Innenminister Manfred Kanther wie folgt zitiert: „Ich lasse nicht zu, dass Deutschland zum Schauplatz von Bandenkriegen und der Verfolgung politisch Andersdenkender wird. Deutschland ist kein Kriegsschauplatz für Terroristen und Freischärler. Deutschland ist auch nicht Ruheraum für Terroristen – und erst recht nicht Unruheraum. Wir können es nicht dulden, dass Konflikte aus den Herkunftsländern ausländischer Mitbürger von einer gewalttätigen Minderheit in Deutschland ausgetragen werden.“14 Es sind die Elemente des Antikommunismus, der Extremismustheorie und des Rassismus die so klingen als wären sie aktuelle Aussagen von PEGIDA, AfD und Co. Man sieht also, dass das Denken der sog. Neuen Rechten gar nicht so neu ist. Und, dass die sog. Mitte der Gesellschaft des öfteren auf diese Argumentationsmuster zurückgegriffen hat. Natürlich waren die Ansagen Kanthers auch mit der Aufforderung verbunden, dass sich „die rechtstreuen Kurden und Türken in unserem Land – und das ist die überwiegende Mehrheit – […] vertrauensvoll an die Sicherheitsbehörden […]“ wenden können. Direkt verbunden mit einer eindeutigen Drohung: „Darüber hinaus werden alle ausländerrechtlichen Maßnahmen gegen die, die das friedliche Miteinander in Deutschland gefährden, ausgeschöpft.“15 In der Praxis hieß dies für Kurd:innen die nach Deutschland geflüchtet waren und nicht aufhören wollten für ihre Rechte zu kämpfen: Abschiebung in die Türkei und damit allzu oft weitere Verfolgung, Haft, Folter und auch Tod.16
In keinem Satz wird auf die Brutalität der Verfolgung und des Vernichtungskrieges gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei eingegangen und, dass der Konfliktes ein Krieg im Sinne des Völkerrechtes ist.17 Nur so ist es möglich die PKK als Terrororganisation und nicht als eine Kriegspartei in einem bewaffneten Konflikt darzustellen. Nur wer sich entpolitisierte und entsolidarisierte, war also laut Kanther, ein „rechtstreuer“ Kurde oder Türke. Diese politische Botschaft an die Türkei kam einem Freibrief für deren Kriegspolitik gleich.
Die mediale Stimmungsmache führte dazu, dass Kurd:innen schlechthin als gefährlich galten. Die spezifische Hetze gegen sie ging mit den damals neu eingeführten Einschränkungen im Asylrecht einher. Das so geschaffene Feindbild hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Polizeiarbeit. Es wurde das rassistische Stereotyp eines gewaltbereiten „Terror-Kurden“ geschaffen. Oft wurden Menschen kurdischer Herkunft mit gezückter Waffe kontrolliert, denn der Stempel „Terrorist:in“ lastete nun auf ihnen.18
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Die mediale Stimmungsmache führte dazu, dass Kurd:innen schlechthin als gefährlich galten. Die spezifische Hetze gegen sie ging mit den damals neu eingeführten Einschränkungen im Asylrecht einher. Das so geschaffene Feindbild hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Polizeiarbeit. Es wurde das rassistische Stereotyp eines gewaltbereiten „Terror-Kurden“ geschaffen.
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Der Mord an Halim Dener hat also mindestens zwei Ebenen. Zum einen ist da die Ebene der Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung. Zum anderen war es auch ein rassistischer Mord durch deutsche Polizeibeamte und nur im Rahmen einer generellen rassistischen Mobilmachung im wiedervereinigten Deutschland der 1990er Jahre vollständig zu verstehen.
Dabei ist der Mord an Halim kein Einzelfall. Sein Tod steht in einer langen Liste von Ermordeten oder in den Freitod Getriebenen. Der Wohl bekannteste Fall eines Polizeimordes ist der von Oury Jalloh in Dessau.19 Zu nennen sind hier auch die Namen von Ahmad Amad, Yaya Jabbi, Robble Warsame, Achidi John, Laye-Alama Condé, William Tonou- Mbobda, Hussam Fadl, Matiullah J., Christy Schwundeck, Dominique Koumadio, Kola Bankole, Aamir Ageeb, Zdravko Nikolov Dimitrov, N’deye Mareame Sarr, Michael Paul Nwabuisi, Laya-Alama Condé oder Slieman Hamade.20 Allesamt sind entweder durch Schüsse der Polizei, bei Zwangsmaßnahmen durch Polizist:innen oder in Haftanstalten ums Leben gekommen.21 22 In Deutschland fehlt es bisher an einer breiten, gesellschaftlichen Basis um die rassistische Praxis der Polizei aufzuklären. „Polizeibrutalität in Deutschland reicht von körperlichen, psychischen und sexuellen Misshandlungen bis hin zum Mord. Ihr voraus geht nicht selten die Praxis des Racial Profiling, die für viele Betroffene Alltag ist. Die Diskriminierung, Stigmatisierung und Gefährdung beschränkt sich jedoch nicht auf rassistische Kontrollsituationen. Sie geht weit darüber hinaus: weil auf eine Kontrolle nicht selten physische Polizeigewalt und Beleidigungen folgen, weil der Korpsgeist im Polizeiapparat die Täter_innen schützt, weil rassistische Rechtsprechung die Opfer oftmals als Täter_innen abstempelt und weil Medienbilder und rassistische oder für Rassismus offene Gesetze die Praxis legitimieren. Kurz: weil rassistische Polizeipraxis Teil eines institutionellen Rassismus in Deutschland ist.“ so formuliert es die Berliner Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP). Für Menschen mit der ‘falschen’ Hautfarbe kann der Kontakt mit der Polizei immer tödlich enden. Die Täter:innen müssen kaum mit Verfolgung rechnen. KOP hat eine 300-seitige Chronik rassistischer Polizeigewalt für den Raum Berlin erstellt in die ihr unbedingt reinschauen solltet.23
Rassistische Polizeigewalt ist also kein alleiniges US-Phänomen. Deutsche und europäische Politiker:innen und die Zivilgesellschaft deuten in Zeiten von #BlackLivesMatter und den Protesten anlässlich des Mordes an George Floyd24 gern mit dem Finger auf die USA. Klar, die rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA ist krass und unsere Solidarität gilt den Aufständischen die sich dagegen zur wehr setzen. Sie gilt all jenen Menschen die die Polizei abschaffen, und sich auf die Suche nach Alternativen zum üblichen ‘Überwachen und Strafen’, machen wollen.25 ABER es ist nicht mehr als ein billiger Kartentrick, wenn unser Finger nur nach Übersee weist. So können die feinen Deutschen und Europäer:innen weiter machen wie bisher und so tun, als seien Rassismus und Polizeigewalt nur ein Problem der USA. Natürlich: Dass es auch in Europa und Deutschland Probleme mit Rassismus und Polizeigewalt gibt, hört man schon ab und an von Politiker:innen. Kaum jemand geht aber die tief sitzenden und systemischen Probleme an.26 Lieber redet man davon, dass man sich als Gesellschaft nicht spalten solle. Dabei stellt der Staat mit all seinen Zwangsinstitutionen und der kapitalistische Normalbetrieb doch bereits diese Spaltung dar. Ein Zustand tagtäglicher Gewalt, Ausgrenzung und Entfremdung. Es ist verlogen, wenn nach den Ereignissen in Stuttgart von „unfassbarer Gewalt“ gesprochen wird, die „Konsequenzen“ haben müsse.27 Wann wird denn die ‘unfassbare Gewalt’ unseres imperialen Lebensstils endlich mal Konsequenzen haben? Oder zählen die schwarzen Leben der tausenden, systematisch vergewaltigten Frauen im Kongo dann doch nicht so viel, weil wir die Milizen die dort ihre Terrorherrschaft ausüben brauchen, damit wir die Rohstoffe dieses Landes kostengünstig ausbeuten können? Wo ist das Herz der Finsternis heute also zu suchen? Es schlägt nicht mehr im Kongo. Es schlägt in den Chefetagen der Glitzermetropolen dieser Welt. In der Brust eines ökologisch reingewaschenen Yuppies der auf seinem neusten Iphone seine bio-vegane Pizza bei einem Plattformkapitalisten bestellt. Es schlägt bei uns und in uns!
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Wann wird denn die unfassbare Gewalt unseres imperialen Lebensstils endlich mal Konsequenzen haben? Oder zählen die schwarzen Leben der tausenden, systematisch vergewaltigten Frauen im Kongo dann doch nicht so viel, weil wir die Milizen die dort ihre Terrorherrschaft ausüben brauchen, damit wir die Rohstoffe dieses Landes kostengünstig ausbeuten können? Wo ist das Herz der Finsternis heute also zu suchen?
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Es ist also eine Farce wenn das EU-Parlament die internationale Black Lives Matter Bewegung ausdrücklich unterstützt.28 Ist es doch die gleiche EU die durch Freihandelsabkommen ganze Volkswirtschaften zertsört29, an ihren Außengrenzen Menschen beim Ertrinken zuschaut30 31 in vorgelagerten Abschiebezentren wie in Lybien systematisch foltern und morden lässt.32 Und deren Freiheit zu großen Teilen nur eine des freien Handels meint und Mensch und Natur auf dem Altar des globalisierten Kapitals opfert.
Kein Wunder also, wenn diese Welt immer mehr Wachleute braucht. Sei es eine militarisierte Polizei, ein polizeiisiertes Militär, Söldnertruppen wie Academi a.k.a. Blackwater oder Menschenschinder wie die Einsatzkräfte von Frontex: „Je mehr sich die Institutionen zurückziehen, desto mehr ihrer Wachleute tauchen auf. Je weniger Respekt die Behörden einflößen, desto mehr versuchen sie, uns gewaltsam in Schach zu halten. […] Die Aufrechterhaltung der Ordnung wird zur Hauptaktivität einer bereits bankrotten Ordnung. […] Für ein ‚demokratisches‘ Regime ist es nie ein gutes Zeichen, wenn es zur Gewohnheit wird, auf die eigene Bevölkerung zu schießen. Seit sich die Politik in allen Gebieten auf eine umfassende tagtägliche Polizeioperation reduziert hat, ist die Polizei unvermeidlich zu einer politischen Frage geworden.“33 Lasst uns niemals vergessen, dass die Polizei das ist was vom Ausnahmezustand in jedem ‚demokratischen‘ Regime übrig bleibt, wenn der Normalzustand einsetzt. Sie erinnert uns jeden Tag an die Verlogenheit dieser Ordnung die in Wirklichkeit eine Unordnung der Dinge ist. Sie ist bewaffnet, belauscht, bespitzelt, schlägt, foltert und vergewaltigt uns. Ihre reine Existenz erinnert uns an die Brutalität mit der die sog. Ordnung einst hergestellt wurde. Aber sie zeugt dadurch genauso davon, dass die scheinbare Ordnung in der wir leben eine künstliche ist und zerstört werden kann und muss. Unsere Aufstände gegen die Polizei, sind Aufstände für die Würde. Es ist in praktischer Versuch auf Foucaults berühmte Frage zu antworten wie es möglich sei: „dass man nicht derartig, im Namen dieser Prinzipien da, zu solchen Zwecken und mit solchen Verfahren regiert wird – dass man nicht so und nicht dafür und nicht von denen da regiert wird?“34
IV Würde
Doch wie schaffen wir es nicht mehr derart regiert zu werden? Um hier Ansätze zu finden, kommen wir auf die kurdische Freiheitsbewegung, und damit auch auf Halim Dener, zurück.
Bereits 1993 gab es seitens der PKK ein einseitiges Waffenstillstandsangebot. Dies wurde von der türkischen Regierung jedoch ignoriert. Man wollte die vollständige militärische und physische Vernichtung des kurdischen Widerstandes erreichen. Angesichts einer militärischen Pattsituation – schließlich wusste die PKK, dass die Türkei die geballte Kraft der NATO hinter sich hatte – und mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, musste die Partei/Bewegung eine neue Ausrichtung finden. Bereits in den 80er Jahren nahm man eine kritische Distanz zum Real-Existierenden-Sozialismus ein. Es wurden Diskussionen über die aktive Einbindung von Frauen*, die Rolle der „Revolutionären Persönlichkeit“ und der Religion geführt. Letztere führte zu dem Ausdruck einer „Aufklärung im Islam“ den die Partei/Bewegung, ohne dabei selbst religiös zu werden, geprägt hat. Ab den 90er Jahren erkannte die Partei/Bewegung, dass eine Lösung der sog. Kurdenfrage, nur als tiefgreifender Demokratisierungsprozess der gesamten Türkei und des Nahen Ostens möglich sei. Man entfernte sich zusehends vom separatistischen Kurs des Marxismus-Leninismus. Der Kampf für die Würde und Freiheit der kurdischen Bevölkerung wurde von einer nationalen Befreiungsbewegung in eine soziale Befreiungsbewegung transformiert. Der Fokus lag hierbei in erster Linie auf der gesellschaftlichen Befreiung in deren Mittelpunkt die Befreiung der Frauen* stehen sollte. In dieser Zeit wurden die ersten Schritte hin zu dem Konzept des Demokratischen Konföderalismus (DemKonf) gemacht.35 Spätestens seit der Revolution in Rojava ist dies auch ein Begriff für die westliche Linke. Der DemKonf beruht in erster Linie auf der Vorstellung einer radikalen Demokratisierung der Gesellschaft die weit über Repräsentation und Parlamentarismus hinaus reicht. Dies soll dem Prozess der individuellen Unterwerfung und Entpolitisierung entgegen wirken und einen politischen Raum öffnen an dem alle Teile einer Gesellschaft teilhaben können und sich gegen und über den Nationalstaat hinaus organisieren.36
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Der Kampf für die Würde und Freiheit der kurdischen Bevölkerung wurde von einer nationalen Befreiungsbewegung in eine soziale Befreiungsbewegung transformiert.
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Die Kommune, als kleinste Einheit in der föderalen Struktur, stellt dabei den Ausgangspunkt da. Jedoch ist diese Kommune keine abgeschlossene Einheit. Gerade über die Idee einer konföderalen Struktur, soll das alte Korsett des Nationalstaates überwunden werden, bei gleichzeitiger „Zersplitterung der Macht“ (Raul Zibechi). Da wo Macht zentralisiert wird, braucht es auch eine zentrale Gewalt die diese Machtakkumulation verteidigt: eben die militarisierte Polizei oder das polizeiisierte Militär. Die kurdische Befreiungsbewegung hat viele negative Erfahrungen mit Polizeigewalt, dem Militär und Gefängnissen gemacht. Als einer unser Genossen im Jahr 2017 in Başûr (irakisch Kurdistan) im Qandil Gebirge mit Guerillakämpfer:innen sprach, sagte eine Guerilliera die sich Media nannte und ursprünglich aus Hamburg kam: „Die Freund:innen haben so viele schreckliche Sachen in den Knästen erlebt, es ist also kein Wunder, dass man versucht etwas anderes zu finden, um Konflikte zu regeln.“ Im kurdischen Flüchtlingslager Mexmûr gab es folglich auch kein Gefängnis, keine Polizei und kein Gericht. Es gibt einen juristischen Rat der vielmehr versucht zu vermitteln und auf Elemente der sog. Community-accountability setzt, ohne, dass dies jemals so genannt werden würde. Mexmûr kann als ‘Mutter der Kommunen’ von Rojava gelten und diente oft der Ausbildung und als Vorbild für den Aufbauprozess in Rojava (syrisch Kurdistan). Natürlich muss man bedenken, dass anders als in Rojava, Mexmûr ein kleines Dorf ist und ethnisch sowie religiös-kulturell sehr homogen. Darum soll hier davor gewarnt sein, den Prozess in Rojava als eine Art „Anarchist Disneyland“ zu begreifen. Er findet als reale Bewegung in der Realität statt und ist daher mit allen Makeln und Widersprüchen eines realen Kampfes behaftet. Man muss sich nur einmal vorstellen wie man mit einer permanenten militärischen Bedrohung durch alle möglichen internationalen und lokalen Kräfte umgeht, ohne die Gesellschaft völlig zu militarisieren. Oder was macht man mit gefangengenommen IS-Anhänger:innen? So gibt es in Rojava natürlich auch Gefängnisse und es gibt quasi polizeiliche Sicherheitskräfte, die Asayîş. Ziel ist jedoch, dass es keinerlei übergeordnetes Sicherheitsorgan mehr braucht, weil die einzelnen Kommunen ausgebildet werden und die Sicherheit in die eigenen Hände nehmen können.37 Zu diesem Zweck wurden neben den Asayîş auch die städtischen zivilen Verteidigungskräfte (HPC) und die regionalen Selbstverteidigungseinheiten (HXP)38 geschaffen. Auch hier wird eine Dezentralisierung im Bereich der Sicherheit und damit die Zersplitterung der Macht auf Basis einer kommunalen Autonomie angestrebt.39
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Die Schaffung der Kommune ist diese Deklaration. Das ist unser Plateau und revolutionärer Ausgangspunkt von dem aus wir würdevoll verkünden: Jetzt!: Nicht mehr warten und nicht mehr zögern, sondern im Hier und Jetzt unsere Leben selbst in die Hand nehmen und der Entfremdung von uns selbst und unserer Umwelt ein Ende setzen.
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In Rojava so wie in Bakur (türkisch Kurdistan)40 gab und gibt es einen Aufbauprozess von sog. Rechtskommissionen die Streits schlichten sollen. „Den Kommissionen geht es immer darum, eine einvernehmliche Lösung bei Streitigkeiten zu finden.“, heißt es in einer Broschüre über die demokratische Autonomie der Gruppe „Tatort Kurdistan“. Dort wird der Rechtsrat der Region Gever mit den Worten: „Wir sind in unserer Rechtsprechung nicht so rückständig wie eure Staaten. Uns geht es nicht darum, die Menschen wegzusperren und nach 15 Jahren wieder zu entlassen. Es geht darum eine grundlegende Änderung im Menschen herbeizuführen und ihn wieder einzubinden.“ zitiert.41
In der US-amerikanischen Revolte die sich aus den kollektiven Erfahrungen rassistischer Polizeigewalt und Inhaftierung speist, hallen die Erfahrungen und Ansätze der kurdischen Freiheitsbewegung wider.42 Es ist nicht nur so, dass sich die kurdische Freiheitsbewegung sehr schnell mit den Aufständen in den USA solidarisierte.43 Die aktuellen Aufstände haben eine Intensität erreicht in der mit dem Aufbau befreiter Kommunen begonnen wird. Das weckt große Hoffnung. Allen voran ist hier die Kommune des freien Capitol Hill (Washington D.C.) zu nennen. Die Cops wurden aus dem Viertel vertrieben, die Bewohner:innen haben eine Autonomie über ihre Nachbarschaft ausgerufen und es kursieren diverse Forderungskataloge.44 Wir wollen hier auf zwei Punkte der „Forderungen der kollektiven schwarzen Stimmen des freien Capitol Hill an die Regierung Seattles“ eingehen:
„1. Das Seattle Police Department und das angeschlossene Gerichtssystem sind nicht mehr zu reformieren. Wir fordern keine Reform, wir fordern die Abschaffung. Wir fordern, dass Stadtrat und Bürgermeister dem Seattle Police Department und dem angeschlossenen Justiz-Apparat die Finanzierung entziehen und beide Institutionen abschaffen. […]
14. Wir fordern als Ersatz für das derzeitige Strafrechtssystem die Schaffung von Programmen zur Wiederherstellung / Transformation der Verantwortlichkeit [restorative/transformative accountability programs – https://incite-national.org/community-accountability/] als Ersatz für die Inhaftierung.
15. Wir fordern, dass den Menschen Autonomie eingeräumt wird, um lokale Systeme zur
Verbrechensbekämpfung zu schaffen. […]“45
Dies sind eigentlich nur bei oberflächlicher Betrachtung einfache Forderungen an die Regierenden. Die Polizei abzuschaffen, kommt der Forderung gleich die Regierenden abzuschaffen. Wenn wir ein „Ende der Gewalt“ wollen46, dann reichen symbolische Verurteilung (rassistischer) Polizeigewalt und Appelle nicht aus. Diese Erkenntnis spiegelt sich in den drei exemplarischen Punkten wieder. Außerdem sind diese Punkte bemerkenswert insofern, als das sie die Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung widerspiegeln. Es ist nicht gesagt, dass diese Kommunen in den USA Erfolg haben werden und letztlich das ganz andere Ganze errichten können. Aber sie tragen den Kern dieses ganz anderen Ganzen in sich und sie verkörpern eine Hoffnung im Jetzt. Ähnlich wie der Aufstand im Gezi Park, die Tanzikiyat47 in Syrien oder die Bewegung der Plätze: in all diesen Widerständen tritt die Kommune als Versuch der aktiven Absetzung der Polizei hervor. Denn: „Was die Regierung nicht verstehen konnte, ist, dass der Verlust jeder Hoffnung auch die Bedingungen für den reinen Aufstand schafft – der nicht mehr versucht sich auf das zu stützen, was er ablehnt, sondern seine Berechtigung aus sich selbst zieht.“48 Hinter den Barrikaden entstehen Labore, wenn auch nicht widerspruchsfrei, die uns für den Aufbau des freien Lebens dienlich sein können. Es ist dieser Rückgriff auf die Tradition der Kommune, als Kampfmittel gegen die Unterdrückung, welche immer wieder in der Geschichte unserer Kämpfe aufscheint. Jedoch können wir uns nicht nur auf das Althergebrachte beziehen. Denn die „Revolution ist nur als Revolution von Tradition möglich. Die Traditionen müssen selbst revolutioniert werden.“ jedoch geht es „ (…) nicht um etwas, dass sich getrennt von ihnen abspielt, denn sonst ist ihre Wiederkehr unvermeidlich. Das hat die Erfahrung gezeigt: Hinter der Theorie eines absoluten Anfangs verbirgt sich in Wahrheit die Rückkehr des Alten“49 Oder wie es die revolutionären indigenen Frauen der Zapatist@s ausdrücken: „Die Gebräuche und Traditionen von früher, die müssen geändert werden. […] Wir wollen die schlechten Traditionen und Bräuche nicht mehr.“ Es geht zwar um eine Bezugnahme auf Traditionen, diese müssen jedoch in einer schöpferischen Projektion, d.h. Zukunftsperspektive, mitgerissen werden.50 Wir deuten in der Praxis des Aufstandes auf eine Zukunft die in den Trümmern (oder eben Traditionen) unserer Aufbrüche begraben liegt. So lassen wir eine Gegenwart entstehen51 von der aus wir handeln und uns deklarieren können, wie es der Dichter Stéphane Mallarmé ausdrückt.52 Die Schaffung der Kommune ist diese Deklaration. Das ist unser Plateau und revolutionärer Ausgangspunkt von dem aus wir würdevoll verkünden: Jetzt!: Nicht mehr warten und nicht mehr zögern, sondern im Hier und Jetzt unsere Leben selbst in die Hand nehmen und der Entfremdung von uns selbst und unserer Umwelt ein Ende setzen. Der Kampf gegen die Polizei bringt dies zum Ausdruck und ist nichts weniger als ein Aufstand der Würde! Eine Würde die auch Halim versuchte zu verteidigen.
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Quellen und Anmerkungen
1 Natürlich drücken sich die GRÜNEN mal wieder vor einer Umsetzung ihrer eigenen Forderungen, sind sie erstmal an die Macht gekommen. So stellen sie sich nun auch gegen die Errichtung eines Gedenkortes in Hannover und nehmen Bezug auf Sachzwänge: https://taz.de/Polizeiopfer-in-Hannover/!5690250/
2 Unsichtbares Komitee, An unsere Freunde, Hamburg 2015, S. 93
3 Eine sehr interessante Zusammenfassung der u.a. rechtlichen Grundlagen könnt ihr hier lesen: https://www.ecoi.net/en/file/local/1258094/1329_1202743879_bsvec1-gutachten-ozturk-kurden-teil2.pdf
4 Hier liegt übrigens der Beginn der Entstehungsgeschichte des selbstverwalteten Flüchtlingslagers in Mexmûr in Südkurdistan (Irakisch-Kurdistan) https://anfdeutsch.com/kurdistan/mexmur-wenn-ein-fluechtlingscamp-synonym-fuer-den-widerstand-steht-19298
5 https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/verbot/2003/16.htm
6 Ebd.
7 http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/009/1400958.asc
8Ja, damals noch Bonn, nicht Berlin 😉
9 https://taz.de/Bonn-stoppt-Hilfe-fuer-tuerkische-Armee/!1676369/
10 https://www.deutschlandfunk.de/armenien-resolution-die-deutsche-beteiligung-am-voelkermord.2852.de.html?dram:article_id=355922
11 https://yeniozgurpolitika.net/dimensionen-eines-verbots/
12 Eine Chronologie findet ihr hier: https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/verbot/2003/16.htm
https://www.zeitschrift-luxemburg.de/aussenpolitisch-nicht-mehr-vertretbar/
13 Kriminelle und terroristische Vereinigung Ausland
14 https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/verbot-der-arbeiterpartei-kurdistans-in-deutschland-790068
15 Ebd.
16 https://www.welt.de/print-welt/article441236/Wir-waren-lebendig-begraben.html
17 Belgien hatte sich schon 1993 dem Druck durch die Türkei verweigert und hat dies auch Anfang 2020 nochmals bestätigt. Es wäre gut wenn sich andere europäischen Staaten dieser Einschätzung anschließen würden: https://www.heise.de/tp/features/Bruessel-PKK-ist-keine-Terrororganisation-mehr-sondern-Kriegspartei-4647933.html?seite=all
18 Die politische Aufladung des migrantischen Körpers mit rassistischen Stereotypen und Gewaltzuschreibungen ist eine Erfahrung die auch Menschen, meist arabischer oder persischer Herkunft, in den USA der post 9/11 Ära machen mussten und müssen.
19 https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
20 Diese Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
21 https://www.tagesspiegel.de/politik/von-oury-jalloh-bis-achidi-john-polizeigewalt-gegen-people-of-color-gibt-es-auch-in-deutschland/2588 4422.html
22 https://kop-berlin.de/beitrag/kollektiv-aktiv-gegen-polizeigewalt-am-15-marz-ist-der-internationale-tag-gegen-polizeibrutalitat
23 https://kop-berlin.de/files/documents/chronik.pdf
24 https://de.wikipedia.org/wiki/Todesfall_George_Floyd
25 https://endofroad.blackblogs.org/archive/10166?fbclid=IwAR3p7YC8QS7C-OaB1YTFlX7OlzikP-
QdojAAEOpWBhkHILTnzVUgRF32Hqg
26 Zu nennen wären hier die Kolonialgeschichte die eng verbunden ist mit dem Aufstieg des europäischen Kapitalismus (vgl. Immanuel Wallerstein, Das moderne Weltsystem Band 1 bis 4), sowie einen Teil der Aufklärungstradition den man mit Adorno und Horkheimer als ‘instrumentelle Vernunft’ beschreiben kann und in dem rassistisch-(pseudo)wissenschaftliches Denken tief verwurzelt ist. (vgl. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung)
27 https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kramp-karrenbauer-zu-stuttgart-gewalt-muss-konsequenzen-haben-16825355/randale-in-der-stuttgarter-16825150.html
28 https://www.dw.com/de/eu-parlament-black-lives-matter/a-53878598
29 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/freihandel-eu-importe-torpedieren-afrikas-wirtschaft-1.3314106
30 https://www.proasyl.de/thema/tod-an-den-aussengrenzen/
31 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/892249/umfrage/im-mittelmeer-ertrunkenen-fluechtlinge/
32 https://www.sueddeutsche.de/politik/libyen-libyen-exekutionen-und-folter-sind-an-der-tagesordnung-1.3354314
33 Unsichtbares Komitee, An unsere Freunde, Hamburg 2015, S. 89 – 90
34 Foucault, Michel: Was ist Kritik? Berlin 1992 , S. 11 f.
35 Man kann vier Säulen des Demokratischen Konföderalismus ausmachen: Radikale Demokratie, Frauen*befreiung, Ökologie, Kommunisierung. Wir gehen hier auf die Säule der Kommunisierung ein, da der Fokus des Textes auf den Ähnlichkeiten weltweiter Proteste und Widerstandsbewegungen liegt.
36 http://ercanayboga.blogspot.com/2018/12/demokratischer-konfoderalismus-eine.html
37 https://web.archive.org/web/20161117064550/https://peaceinkurdistancampaign.com/2014/12/22/a-revolution-in-daily-life/
38 https://www.rudaw.net/english/middleeast/syria/04062015
39 https://web.archive.org/web/20170818045008/http://modernslavery.calpress.org/?p=949
40 Allerdings gab es hier enorme Rückschläge durch die erneute Eskalation im Bürgerkrieg der türkischen Regierung gegen die kurdische Bevölkerung 2015/2016
41 http://demokratischeautonomie.blogsport.eu/?page_id=126#footnote_0_126
42 Die Besatzung und Kolonisierung und die damit einhergehende Repression gegenüber Kurd:innen z.B. in der Türkei beruht auf der rassistischen Grundannahme, dass die türkischen Mehrheitsbevölkerung den Kurd:inne gegenüber überlegen wäre. Dazu kommt noch der türkische Nationalismus der nur ein Staatsvolk kennt: Türk:innen
43 https://anfenglishmobile.com/news/kjk-the-murder-of-george-floyd-is-not-an-isolated-incident-44166
44 https://www.viewpointmag.com/2020/06/17/a-political-form-built-out-of-struggle-an-interview-on-the-seattle-occupied-protest/?fbclid=IwAR28atTCDfXxuaZuvofyfuIQB_ykIfl-rzITvYlQTz2puXe_PgQKH6rHunU
45 https://endofroad.blackblogs.org/archive/10166?fbclid=IwAR3p7YC8QS7C-OaB1YTFlX7OlzikP-
46 https://www.umsganze.org/16-bis-19-5-fuer-ein-ende-der-gewalt-fight-capitalism-100/
47 Das waren autonome Räte in dem vom Regime befreiten Gebieten die die Organisation des Alltags übernahmen.
48 Unsichtbares Komitee, An unsere Freunde, Hamburg 2015, S. 90
49 Badiou, Alain, Logik der Revolte, Bilder der Gegenwart II, Wien 2019, S. 26
50 In Badious Vorlesung zur Logik der Revolte bedeutet dies den Blick in die Zukunft zu wagen. Es geht aber weder darum einen totalen Nullpunkt zu definieren, noch darum in der Tradition verhaftet zu bleiben: Die Gegenwart kann sowohl durch die reine Wiederholung des Alten (Faschismus als höchste Form bürgerlichen Terrors) als auch durch die reine Projektion in die Zukunft (Bolschewismus/Stalinismus) zerstört werden. Die reine Projektion in die Zukunft bedeutet dann: Sicher wir ermorden jetzt viele Millionen von Menschen, wir haben viele Tote, aber das ist notwendig, denn es geschieht im Namen einer besseren Zukunft. Hier wird das gute Leben im Jetzt suspendiert. Der Mensch wird erneut im Namen einer besseren Zukunft von seiner Umwelt entfremdet.
51 Die Konstruktion der Gegenwart bezieht sich auf Badious „Bilder der Gegenwart“. Er geht davon aus, dass es momentan keine Gegenwart gibt. Dass alle entweder von der Vergangenheit absorbiert wird, durch Bräuche, religiöse Floskeln, Traditionen, oder auf der anderen Seite ein System chronischer Neuheit ohne Neuerung ein rasender Stillstand hervorgebracht wird. Letzteres kommt in dem berühmten Ausspruch „Das Ende der Geschichte“ von Francis Fukuyama zum Ausdruck. Die unendliche Getriebenheit unserer Zeit, diese Beliebigkeit, macht die Gegenwart benommen und verunmöglicht sie schließlich. Es ist eine ständige Erneuerung ohne Bruch mit dem Bestehenden. Jedoch ist auch die reine Projektion in die Zukunft ein Problem für das Schaffen einer Gegenwart. Gegenwart bedeutet für Badiou die Interaktion mit der realen Welt. Für ihn kann sich ein revolutionäres Projekt nur dort entfalten. Es braucht demnach sowohl Bezgspunkte in der Vergangenheit (Tradition), als auch die Zukunft (Projektion), um eine Gegenwart (Kopräsenz von Vergangenheit und Zukunft) als Ausgangspunkt der Revolution zu schaffen.
52 Hier spielen wir auf das Gedicht „L‘Action restreinte“ („Beschränktes Handeln“) von Mallamé an.